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Ja,
achttausend Jahre sind eine lange Zeit, in der dieses Zeugs auf uns
einwirken konnte, Generation für Generation. Es findet sich in
unseren Büchern, in unserer kulturellen und religiösen
Ausbildung - oder ich sollte lieber sagen, in neunzig Prozent unserer
religiösen Ausbildung.
Milton Rokeach zeigt nämlich in
seinem Buch „Open and Closed Mind", dass es eine Minderheit
von Menschen gibt, die auf kirchliche Unterweisungen auf eine
andere Art reagiert. Er vergleicht Menschen, die die Kirchen der
sieben Hauptreligionen der Welt besuchten und die den Unterweisungen
ernsthaft gefolgt sind, mit Menschen, die keine Angliederung an
eine Kirche hatten. Sein Vergleichsmaßstab ist das Mitgefühl.
Er fand heraus, dass die Menschen, die die Kirchen besuchten, weniger
Mitgefühl besitzen. Je mehr die Leute zur Kirche gingen, desto
weniger mitfühlend wurden sie. Aber er warnt davor, seine Daten
vorschnell zu interpretieren, weil es innerhalb jeder der sieben
Religionen, die er untersuchte, zwei radikal verschiedene
Teilgruppen gab. Es gab jeweils eine Minderheit von ungefähr
acht Prozent, die war mitfühlender als die Gesamtbevölkerung.
Es handelte sich um die gleichen Religionen, aber um vollständig
verschiedene Wege, diese zu interpretieren. Ein radikal anderer
Weg. Sei es Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus
- zwei verschiedene Gruppen in jeder Religion. Eine ist wesentlich
weniger mitfühlend als die Gesamtbevölkerung - leider die
Mehrheit -und dann gibt es die Minderheit, die wesentlich
einfühlsamer ist.
Ich glaube, der wesentlich Unterschied wird sein, wie mit den Menschen in den ersten Wochen, Monaten, Jahren umgegangen wurde und ob sie später - besonders in der Pubertät - Menschen gefunden haben, die ihnen geholfen haben die negativen Prägungen der frühen Kindheit zu relativieren. Menschen die ihnen geholfen haben, eine Ahnung davon zu bekommen, dass der innerste Kern eines jeden Menschen gut ist und dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, mit diesem seinen goldenen Kern in Kontakt zu kommen. Denn ein Mensch mit diesem Kontakt kann lernen, alle seine Gefühle wahr zu nehmen und zu akzeptieren. Und er kann lernen, bei jedem Aufkommen von Angst, Wut oder Traurigkeit zu unterscheiden, wie viel zum Auslösen dieser Gefühle die aktuelle Situation beigetragen hat und wie weit alte Erfahrungen dazu beigetragen haben. Wenn er dann in Anerkennung seines eigenen Gefühls herausfinden kann, was er wirklich braucht in dieser Situation, kann er auch einfühlsam sein für sein Gegenüber.
Das wird den meisten Menschen aber nur dann wirklich gelingen, wenn sie eigene "Macken" und Krankheiten als solche anerkennen und sich Hilfe holen, die Entstehungsgeschichte der "schlechten Angewohnheiten" und körperlichen und geistigen "Fehlhaltungen" zu ergründen und zu verstehen.