Start

Lernen u. Schule

Texte

kreativ

Kontakt 

suchen

Forum

Johann Sulzer: Die zwei Hauptaufgaben der Kleinkindererziehung ( 1748)

Was nun den Eigensinn betrifft, so äußert sich derselbe als ein natürliches Mittel gleich in der ersten Kindheit, sobald die Kinder ihr Verlangen nach etwas durch Gebärden zu verstehen geben können. Sie sehen etwas, das sie gern haben mochten; sie können es nicht bekommen, sie erbosen sich darüber, schreien und schlagen um sich. Oder man gibt ihnen etwas, das ihnen nicht ansteht; sie schmeißen es weg und fangen an zu schreien. Dies sind gefährliche Unarten, welche die ganze Erziehung hindern und nichts Gutes bei den Kindern aufkommen lassen. Wo der Eigensinn und die Bosheit nicht vertrieben werden, da kann man unmöglich einem Kinde eine gute Erziehung geben. Sobald sich also diese Fehler bei einem Kinde äußern, so ist es hohe Zeit, dem Übel zu wehren, damit es nicht durch die Gewohnheit hartnäckiger und die Kinder ganz verdorben werden. Ich rate also allen denen, die Kinder zu erziehen haben, dass sie die Vertreibung des Eigensinns und der Bosheit gleich ihre Hauptarbeit sein lassen und so lange daran arbeiten, bis sie zum Ziel gekommen sind. Man kann, wie ich oben bemerkt habe, unmündigen Kindern nicht mit Gründen beikommen; also muss der Eigensinn auf eine mechanische Weise vertrieben werden, und hierfür gibt es kein anderes Mittel, als dass man den Kindern den Ernst zeigt. Gibt man ihrem Eigensinn einmal nach, so ist er das zweitemal schon stärker und schwerer zu vertreiben. Haben die Kinder einmal erfahren, dass sie durch Erbosen und Schreien ihren Willen durchsetzen, so werden sie nicht ermangeln, dieselben Mittel wieder anzuwenden. Endlich werden sie zu Meistern ihrer Eltern und Aufwärterinnen und bekommen ein böses, eigensinniges und unleidliches Gemüt, wodurch sie hernach ihre Eltern, als wohlverdienten Lohn der guten Erziehung, solange sie leben, plagen und quälen. Sind aber die Eltern so glücklich, dass sie ihnen gleich anfangs durch ernstliches Schelten und durch die Rute den Eigensinn vertreiben, so bekommen sie gehorsame, biegsame und gute Kinder, denen sie hernach eine gute Erziehung geben können.

aus: K. Rutschky (Hersg.) "Schwarze Pädagogik" Ullstein-Buch; Nr. 35670,  S. 173