Wie entsteht emotionale
Blindheit?
21 Punkte
von
Alice Miller
- Das Neugeborene ist immer unschuldig.
- Jedes
Kind hat unabdingbare Bedürfnisse, unter
anderem nach
Sicherheit, Geborgenheit, Schutz, Berührung, Wahrhaftigkeit,
Wärme,
Zärtlichkeit.
- Diese Bedürfnisse werden selten
erfüllt,
jedoch häufig von
Erwachsenen für ihre eigenen Zwecke ausgebeutet (Trauma des
Kindesmissbrauchs).
- Der Missbrauch hat
lebenslängliche Folgen.
- Die Gesellschaft steht
auf der Seite des Erwachsenen und
beschuldigt das Kind für das, was ihm angetan worden ist.
- Die
Tatsache der Opferung des Kindes wird nach wie vor
geleugnet.
- Die Folgen dieser Opferung werden
daher übersehen.
- Das von der Gesellschaft
allein gelassene Kind hat keine
andere
Wahl, als das Trauma zu verdrängen und den Täter zu
idealisieren.
- Verdrängung führt zu Neurosen,
Psychosen,
psychosomatischen Störungen und zum Verbrechen.
- In
der Neurose werden die eigentlichen Bedürfnisse
verdrängt und verleugnet und statt dessen
Schuldgefühle
erlebt.
- In der Psychose wird die Misshandlung
in eine
Wahnvorstellung verwandelt.
- In der
psychosomatischen Störung wird der Schmerz
der Misshandlung
erlitten, doch die eigentlichen Ursachen des Leidens bleiben verborgen.
- Im Verbrechen werden die Verwirrung, die
Verführung und die Misshandlung immer wieder neu ausagiert.
- Therapeutische
Bemühungen können nur dann
erfolgreich sein, wenn
die Wahrheit über die Kindheit des Patienten nicht geleugnet
wird.
- Die psychoanalytische Lehre der "infantilen
Sexualität" unterstützt
die Blindheit der Gesellschaft und legitimiert den sexuellen Missbrauch
des Kindes. Sie beschuldigt das Kind und schont den Erwachsenen.
- Phantasien stehen im Dienste des Überlebens; sie
helfen, die
unerträgliche Realität der Kindheit zu artikulieren
und sie zugleich zu
verbergen, bzw. zu verharmlosen. Ein sogenanntes "erfundenes,
phantasiertes" Erlebnis oder Trauma deckt immer ein reales Trauma zu.
- In Literatur, Kunst, Märchen und Träumen
kommen oft
verdrängte frühkindliche Erfahrungen in symbolischen
Formen
zum Ausdruck.
- Aufgrund unserer chronischen
Ignoranz hinsichtlich der
wirklichen
Situation des Kindes werden diese symbolischen Zeugnisse von Qualen in
unserer Kultur nicht nur toleriert, sondern sogar
hochgeschätzt. Würde
der reale Hintergrund dieser verschlüsselten Aussage
verstanden, würde
sie von der Gesellschaft abgelehnt werden.
- Die
Folgen eines begangenen Verbrechens werden nicht
dadurch aufgehoben, dass Täter und Opfer blind und verwirrt
sind.
- Neue Verbrechen können verhindert werden,
wenn die
Opfer zu sehen
beginnen; damit wird der Wiederholungszwang aufgehoben oder
abgeschwächt.
- Indem sie die im Geschehen der
Kindheit verborgene Quelle
der
Erkenntnis unmissverständlich und unwiderruflich freilegen,
können die
Berichte Betroffener der Gesellschaft im allgemeinen und insbesondere
der Wissenschaft helfen, ihr Bewusstsein zu verändern.