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Der propere Ganter

Es war einmal - und sehr lange ist das noch gar nicht her - ein wunderschöner Ganter. Er war groß und stark, glatt und sauber und beschäftigte sich vorwiegend damit, für seine Frau und die Kinder zu singen.

«Was für ein proprer Ganter», bemerkte jemand, der ihn singend im Hof auf und ab stolzieren sah.

Das hörte eine alte Henne, und sie erzählte es abends auf der Hühnerstange ihrem Gemahl. «Von Propaganda war da die Rede», zischelte sie.

«Ich habe dem Burschen nie getraut», versetzte der Hahn, und tags darauf ging er im Hof umher und sagte jedem, der es hören wollte, der schöne Ganter sei ein höchst gefährlicher Vogel, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Habicht im Gänserichgewand.

Eine kleine braune Henne erinnerte sich, dass sie einmal von weitem beobachtet hatte, wie der Ganter im Walde mit einigen Habichten sprach. «Die führten irgendwas im Schilde», versicherte sie.

Eine Ente berichtete, der Ganter habe einmal zu ihr gesagt, er glaube an gar nichts. «Und er hat auch gesagt, dass er Fahnen hasst», fügte die Ente hinzu.

Ein Perlhuhn entsann sich, einmal gesehen zu haben, wie jemand, der dem Ganter auffallend ähnelte, etwas warf, was einer Bombe auffallend ähnelte.

Schließlich bewaffneten sich alle mit Stöcken und Steinen und zogen vor des Ganters Haus.

Er stolzierte gerade im Vorgarten auf und ab und sang für Weib und Kinder.

«Da ist er!» schrieen alle. «Habichtfreund! Atheist! Fahnenhasser! Bombenwerfer!»

Damit fielen sie über ihn her und jagten ihn aus dem Lande.  

Moral: Jeder, den du und deine Frau für einen Landesverräter halten, ist selbstverständlich auch einer. 

 

James Thurber