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Wenn man einem Kind einredet, dass man es zu seinem eigenen Besten demütige und quäle ("bestrafe - egal, wie" - R. I.), dann bleibt ihm dieser Glaube unter Umständen ein Leben lang erhalten. (Vergl.: Sprüche Salomons - Kap 13-Vers 24: Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten.*1) In der Folge wird dieser Mensch seine eigenen Kinder ebenfalls misshandeln und davon überzeugt sein, dass er ein gutes Werk vollbringe. Was aber geschieht mit der Wut, mit dem Zorn, mit dem Schmerz, den er als Kind unterdrücken musste, als er von den Eltern geschlagen wurde und diese Behandlung auch noch als eine Wohltat annehmen sollte? All diese Fragen brachten mich der Antwort auf meine erste Kindheitsfrage näher: wie kommt das Böse in die Welt? Mir wurde immer klarer: Das Böse wird in jeder Generation neu erschaffen. Das Neugeborene ist unschuldig. Wie auch immer seine Anlagen sein mögen, das Neugeborene verspürt nicht den Drang, Leben zu zerstören, sondern es will gepflegt, geschützt und geliebt werden und selbst lieben. Wenn diese Bedürfnissee nicht erfüllt werden, wenn das Kind statt dessen misshandelt wird, werden hier Weichen gestellt. Ein Mensch fühlt sich nur dann zur Destruktion gedrängt, wenn seine Seele am Anfang seines Lebens gefoltert wurde. Ein in Liebe und Achtung aufgewachsenes Kind ist nicht für Kriege motiviert. Das Böse gehört nicht notwendig zur menschlichen Natur.

Alice Miller: "Evas Erwachen" Suhrkamp Taschenbuch 3561, s. 62

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etwas ausführlicher beschreibt Alice Miller die Entstehung dieser Gefühlsblindheit, die all dem zugrunde liegt, als ganz persönliche Erfahrung in: "Abbruch der Schweigemauer"

Noch ein Text von Alice Miller zu diesem Thema


* 1 Die Vorstellung, dass Kinder zu ihrem Guten geschlagen werden müssten, dass Strenge gut sei für Kinder ... ist  nicht nur in den letzten Jahrhunderten, sondern seit Jahrtausenden weiter gegeben von Generation zu Generation. Dieser Gedanke ist die Grundlage der Strafjustiz