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Mein Kommentar zu dem Artikel "10 Arten Kinder misszuverstehen " von Jan Hunt

Seit 30 Jahren habe ich immer wieder so gut gemeinte Texte gelesen, war begeistert von ihnen – und war dann irgendwann erst enttäuscht, dass es (quasi unter der Oberfläche dessen, was ich bewusst wahrnahm) in der Praxis doch noch anders gelaufen ist – und schließlich auch sauer, unendlich sauer, weil mir nicht dazu gesagt worden war, dass ich das nicht einfach mit meinem Willen umsetzen kann. 

Es wurde mir nicht dazu gesagt, dass meine Entscheidungen, mein spontanes Tun und Handeln immer, – besonders, wenn ich mich emotional in die Enge getrieben fühle, – nicht von meinem Verstand gesteuert werden sondern aus "dem Bauch heraus" (vom limbischen System meines Gehirns). Wenn es um Entscheidungen zum Tun und handeln geht, hat der Tagesverstand und der Intellekt ohnehin meist nur die Funktion, hinterher zu rationalisieren, was wir vorher ohne gründliche Überlegung getan haben, weil die ja viel zu lange gedauert hätte. ("Wir tun nicht was wir wollen  –   sondern wir wollen, was wir tun.")

Um so mit Kindern umgehen zu können, wie Hunt das empfiehlt, muss ich mit mir selbst (mit meinem eigenen inneren Kind) so gut und liebevoll umgehen können – muss ich ganz bei mir sein können. 

Meine eigene emotionale Grundausstattung, die ich hier inneres Kind nenne, wurde von meinen kindlichen Erfahrungen geprägt. Auch wenn ich heute herausgefunden habe, dass sie durchaus nicht immer "richtig" sind, muss ich zunächst mit ihnen weiterleben. Gerade diese Tatsache können viele Menschen schwer annehmen, dass die Grundlage für Entscheidungen erwachsener Menschen immer auch das Gefühl ist, das entsteht auf der Grundlage von verdrängten Erinnerungen aus der ganz frühen Jugend. Gerade das, was schrecklich war, musste verdrängt werden. Man kann es deshalb nicht bewusst erinnern. Aber die Gefühle entstehen dennoch aus dieser verdrängten Erinnerung.

Die Informationen im Mandelkern (Region unseres Gehirns, in der Gefühle ausgelöst werden.) wurden gesammelt vom ersten Tag an, und gerade die ältesten Erinnerungen, für die wir weder Worte noch Bilder haben, die von vielen Wissenschaftlern deshalb gar nicht als Erinnerungen anerkannt werden, sind die Grundlage, an der alle späteren Erfahrungen gemessen wurden und auf die unser persönliches, unbewusstes Wertesystem aufbaut. Und die werden nicht einfach gelöscht, weil ich etwas dazu gelernt habe, und schon gar nicht, wenn mein Verstand so schöne Geschichten liest. Gelöscht werden die Erfahrungswerte aus der frühen Kindheit wohl gar nicht – wohl nur relativiert. Aber ich kann lernen, die Gefühle wahrzunehmen, die aus ihnen heraus entstehen, die ich aber als Kind verdrängen musste und als Erwachsener immer noch nicht selbstverständlich spüre. Dazu muss ich aber herausfinden, wie schrecklich für das kleine Kind, das ich damals war, die Erfahrungen wirklich waren. Erst dann kann ich heutige Ängste und die Verdrängungsmechanismen als solche erkennen und Verständnis dafür entwickeln(Allein wie Münchhausen kann ich mich nur begrenzt aus diesem Sumpf ziehen, dazu bedarf es häufig der Hilfe von anderen  Menschen – helfenden Zeugen, wie Alice Miller sie nennt. Und es braucht Zeit – viel Zeit.) *)s.u.

Bruno Bettelheim, der wunderschöne Bücher über den Umgang mit Kindern geschrieben hat, konnte auch nicht immer so leben, wie er es beschrieben hat. Die massiven Vorwürfe gegen ihn sind wohl so zu erklären. Wenn er autoritär gegenüber seinen Mitarbeitern wurde oder Kinder schlug, möglicherweise sogar verprügelte, zeigte es sich, dass seine emotionale Grundausstattung geprägt war durch autoritäre Gewalt seiner Eltern und wohl dazu noch von seinen KZ-Erfahrungen und nicht nur von den schönen Theorien, die er in seinen Büchern vertrat.

Ich stelle solche Texte dennoch auf meine Seite, weil sie anregen über Veränderungen nachzudenken.

Denken ist Probehandeln!

Und wenn Menschen es lernen, ihre wahren Beweggründe immer öfter zu fühlen und mit  sich selbst im Einklang zu sein, werden sie auch immer öfter den wohl wirklich lieb gemeinten Überlegungen von Hunt folgen können.

*) [Und so kann ich unter Umständen sogar herausfinden, worum es meinem Unterbewusstsein geht, wenn es mich dazu drängt zu rauchen... (oder warum ich "immer" so Dinge tue, die ich doch gar nicht möchte... oder... oder...   ) ]