Start

Lernen u. Schule

Texte

kreativ

Kontakt 

suchen

Forum
  Kommentar zu diesem
Text von mir 
 

Zehn Arten, Kinder misszuverstehen
von Jan Hunt

1. Wir erwarten von Kindern, dass sie Dinge tun, bevor sie wirklich reif sind, diese zu tun.

Wir erwarten von einem Baby, ruhig zu sein. Wir bitten einen Zweijährigen, still zu sitzen. Wir bitten einen Vierjährigen, sein Zimmer aufzuräumen. In all diesen Situationen sind wir unrealistisch: Wir bringen uns selbst in Situationen, die bei uns Enttäuschung hervorrufen und das Kind bei seinem Versuch, uns zufrieden zu stellen, zum Scheitern verurteilen. Dennoch bitten viele Eltern ihre Kinder, Dinge zu tun, die selbst einem älteren Kind schwer fallen würden. Kurz gesagt, wir erwarten von den Kindern, sich nicht ihrem Alter entsprechend zu verhalten.

2. Wir werden wütend, wenn ein Kind unsere Bedürfnisse nicht erfüllt.

Ein Kind kann nur tun, was es tun kann. Wenn ein Kind nicht das tun kann, um das wir gebeten hatten, ist es unfair und unrealistisch mehr zu erwarten, und Ärger macht alles nur noch schlimmer. Ein Zweijähriger kann sich nur wie ein Zweijähriger verhalten, ein Fünfjähriger kann sich nicht wie ein Zehnjähriger verhalten, und ein Zehnjähriger kann sich nicht wie ein Erwachsener verhalten. Mehr zu erwarten wäre unrealistisch und nicht hilfreich. Es gibt Grenzen, was ein Kind bewältigen kann, und wenn wir diese Grenzen nicht akzeptieren, führt das nur zu Frustration auf beiden Seiten.

3. Wir misstrauen den Beweggründen des Kindes.

Wenn ein Kind unsere Bedürfnisse nicht erfüllen kann, nehmen wir an, dass es aufsässig ist, anstatt die Situation aus dem Blickwinkel des Kindes näher zu betrachten, um den wahren Grund für das Verhalten zu ermitteln. In Wahrheit ist ein "aufsässiges" Kind vielleicht krank, hungrig, hat Schmerzen, reagiert auf eine emotionale oder physische Verletzung oder kämpft mit einer versteckten Ursache wie beispielsweise einer Lebensmittelallergie. Dennoch übersehen wir diese Möglichkeiten und denken anstatt dessen das Schlechteste über die "Persönlichkeit" des Kindes.

4. Wir erlauben Kindern nicht, Kinder zu sein.

Wir vergessen irgendwie, wie es war, selbst Kind zu sein, und erwarten vom Kind, sich eher wie ein Erwachsener zu verhalten als entsprechend seiner Alters. Ein gesundes Kind ist wild, laut, lebt seine Gefühle aus und kann sich nicht lange auf eine Sache konzentrieren. All diese "Probleme" sind überhaupt keine Probleme, sondern in Wirklichkeit normale Eigenschaften eines normalen Kindes. Es sind vielmehr unsere Gesellschaft und die Erwartung perfekten Verhaltens, die unnormal sind.

5. Wir sehen die Dinge verkehrt herum.

Wir erwarten oder verlangen, dass das Kind unsere Bedürfnisse erfüllt – nach Ruhe, nach ungestörtem Schlaf, nach Gehorsam, und so weiter. Anstatt unsere Rolle als Eltern zu bejahen und die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen, erwarten wir, dass das Kind sich um unsere Bedürfnisse kümmert. Unsere eigenen unerfüllten Bedürfnisse und Frustrationen können so sehr in den Mittelpunkt rücken, dass wir vergessen, dass wir es mit einem Kind zu tun haben, das seine eigenen Bedürfnisse hat.

6. Wir beschuldigen und kritisieren das Kind, wenn es einen Fehler macht.

Kinder haben noch wenig Lebenserfahrung, und es lässt sich nicht vermeiden, dass sie Fehler machen. Fehler sind ein natürlicher Bestandteil des Lernens in jedem Alter. Anstatt das Kind zu verstehen und ihm zu helfen, tadeln wir es, als wenn es alles beim ersten Mal perfekt lernen müsste. Irren ist menschlich; in der Kindheit ist Irren menschlich und unvermeidlich. Dennoch reagieren wir auf jeden Fehler, auf jede Übertretung von Regeln und auf jedes schlechte Benehmen mit Überraschung und Enttäuschung. Es ergibt keinen Sinn, einzusehen, dass ein Kind Fehler machen wird, und dann so zu reagieren, als wenn wir meinten, ein Kind sollte sich jederzeit perfekt verhalten.

7. Wir vergessen, wie tief wir ein Kind durch Beschuldigungen und Kritik verletzen.

Vielen Eltern ist es bewusst geworden, dass es falsch ist, ein Kind physisch zu verletzten. Und dennoch vergessen viele von uns, wie verletzend erzürnte Worte, Beschimpfungen und Beschuldigungen für ein Kind sein können, welches daraus nur folgern kann, dass es schuldig ist.

8. Wir vergessen, wie viel Heilung liebevolle Taten bringen können.

Wir geraten in einen Teufelskreis aus Beschuldigung und schlechtem Benehmen, anstatt innezuhalten und dem Kind durch eine Umarmung und nette Worte Liebe, Bestätigung, ein starkes Selbstbewusstsein und Sicherheit zu geben.

9. Wir vergessen, das unser Verhalten dem Kind die wirksamsten Lektionen erteilt.

In Wahrheit nimmt sich das Kind nicht zu Herzen "was wir sagen, sondern wie wir handeln". Eltern, die ihr Kind schlagen, weil es schlägt und ihm erklären, dass Schlagen falsch ist, lehren vielmehr, dass Schlagen richtig ist, zumindest für jemanden in einer Machtposition. Eltern, die auf Probleme mit friedvollen Lösungen reagieren, erzieht sein Kind zu einem friedvollen Erwachsenen. Sogenannte Probleme bieten uns die beste Gelegenheit, unsere Werte zu vermitteln, weil Kinder am besten lernen, wenn sie wirkliche Dinge über das wirkliche Leben lernen.

10. Wir sehen nur das äußerliche Verhalten, nicht die Liebe und die guten Absichten des Kindes.

Wenn uns das Verhalten das Kindes enttäuscht, sollten wir vor allem "das Beste annehmen". Wir sollten annehmen, dass das Kind gute Absichten hat und sich so gut verhält, wie es ihm unter den gegebenen Umständen (sowohl die offenkundige Sachlage als auch versteckte Sachverhalte berücksichtigend) und mit seiner bisherigen Lebenserfahrung möglich ist. Wenn wir immer von den besten Absichten in unserem Kind ausgehen, ist das Kind frei, sein Bestes zu geben. Wenn wir ihm nur Liebe geben, werden wir nur Liebe empfangen.

© Copyright Jan Hunt

übernommen von der Seite: http://www.leben-ohne-schule.de/jan.hunt/missverstehen.html

Kommentar zu diesem Text von mir 

Vergleiche dazu auch die Schwarze Pädagogik in dem in Deutschland meistgelesenen Erziehungsratgeber im 20. Jahrhundert