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Liebende Eltern
- züchologisch gesehen
- oder wie die soziale Kompetenz von Kindern systematisch zerstört wurde und wird.

Mit "Liebe" misshandelt...
Als Erziehungsobjekt missbraucht . . .


"Ein Kind braucht um so mehr Ruhe, je jünger es ist. Alle Sinneseindrücke, Geschehenes, Gehörtes, ebenso wie Gefühltes wirken auf das zarte kleine Wesen mit ganz anderer Wucht ein als auf die abgestumpften Nerven der Erwachsenen.

Das Kind wird gefüttert, gebadet und trockengelegt, im übrigen aber vollkommen in Ruhe gelassen

Am besten ist das Kind in einem eigenen Zimmer untergebracht, in dem es dann auch allein bleibt. Dieses soll möglichst sonnig, hell und luftig sein. Unter beschränkten Wohnungsverhältnissen (z. B. Wohnküche und ein Zimmer), kann das Kinderbettchen tagsüber im Schlafzimmer stehen, mindestens in der warmen Jahreszeit. Besonders im Winter, wenn nur ein beheizter Raum zur Verfügung steht, lässt es sich aber nicht vermeiden, dass es zusammen mit der übrigen Familie untergebracht wird."
(die Hervorhebung ist auch im Original hervorgehoben ! ! ! )

Johanna Haarer: "Die Deutsche Mutter und ihr erstes Kind" S. 168, München, (1934) *s. u.

Faksimile der Originalseite

Weitere Texte von Johanna Haarer

Das Buch, aus dem dieser Text stammt, wurde unter dem Titel "Die Mutter und ihr erstes Kind" bis 1987 insgesamt 1200000 (Eins Komma zwei Millionen) mal verkauft. Die Gemeinheit dem kleinen Kind gegenüber, die in diesen Sätzen steckt, wurde von der Mehrheit der Leser gar nicht als solche empfunden. Das, was diese Autorin dort ausdrückte, war allgemein so üblich, dass die schädliche Wirkung für die Kinder überhaupt nicht wahrgenommen wurde.

Noch ein Zitat aus diesem Buch: 

Eine deutsche Mutter kennt keinen Fehler

In diesem Sinne wurden seit mehreren tausend Jahren Kinder "(v)erzogen", mit "Liebe" misshandelt, als Erziehungsobjekt missbraucht...

Neugeborene sind Traglinge

Genau das Gegenteil von dem, was da propagiert wurde, ist richtig. Je jünger ein Kind ist, um so wichtiger ist die Sicherheit und Geborgenheit, die ihm nur die körperliche Nähe von Menschen gibt. Neugeborene sind Traglinge. Auf dem Arm von Mutter, Vater oder anderen Menschen schläft ein Baby selbst beim größten Lärm auf dem Jahrmarkt oder neben dem Presslufthammer, und es wird wach und schreit ängstlich, wenn es spürt, dass dieser Erwachsene Angst hat. Natürlich ist es falsch, so kleine Kinder ohne Grund solchen Belastungen auszusetzen, aber die Beunruhigung so kleiner Kinder durch Lärm ist harmlos gegen das hilflos ängstliche Weinen eines Kindes, das sich verlassen fühlt, und dessen entsetztes Schreien die Todesangst widerspiegelt, in der es sich zu befinden glaubt. 

Die Unterbringung in einem menschenleeren Zimmer ist Folter für einen Säugling - Isolationshaft. 

Aber das Buch wurde ja nicht nur so oft verkauft, noch viel mehr Menschen haben so gelebt und fanden das richtig oder finden es selbst heute noch richtig.

Das Schlimme ist, dass Bücher, wie das von Johanna Haarer geschrieben wurden von Menschen, die voll in dem Bewusstsein lebten, das Beste und Richtige für Kinder geschrieben zu haben, und dass sie genau das zu Papier gebracht haben, was von der Mehrheit zu der Zeit für richtig empfunden wurde (auch wenn es objektiv falsch war), so dass Eltern, die sich danach richteten, mit dem Brustton der Überzeugung zu ihrem Kind sagen konnten und können: "Ich habe dich geliebt und aus der Liebe heraus das Beste für dich getan, so weit ich konnte."

Und die erwachsen gewordenen Kinder haben verdrängt, welche Angst sie trotzdem gehabt haben. Dinge, die ihnen in den ersten Jahren passiert sind, können sie kaum erinnern, aber in ihrem limbischen System sind Elemente der negativen Erfahrungen dennoch gespeichert. Diese unbewusst gespeicherten Erinnerungen (verdrängt ins Unterbewusstsein)sind gerade ohne direkten Zugang durch den Verstand Grundlage für die Entstehung von Angst und Wut im späteren Leben. 

Die Kinder von damals haben verdrängt, welche Wut sie zurück halten mussten, wenn ihnen so fiese Mamasprüche gesagt worden waren wie: "Schrei doch! Schreien kräftigt die Lungen!"  Behalten haben sie nur die Beteuerungen der Eltern: "Wir haben so viel für dich getan." Meist stimmt das ja auch, sie haben viel getan, und oft war es nicht leicht, aber das schließt eben nicht aus, dass das, was zu der Zeit als gut propagiert wurde, für Kinder schrecklich war. Oft war es aber gerade deshalb nicht leicht für die Erwachsenen, weil sie die Kinder hoffnungslos überfordert haben.

Die verordnete Einzelhaft für Säuglinge war ja nicht der einzige pädagogische Unfug, der Kindern angetan wurde. 

Kinder haben all diese Qualen und Torturen verdrängt. Das ist das einzige, was Kinder in dem Alter tun können, um trotzdem überleben zu können. Um das bisschen Zuwendung zu bekommen, was auch die schlimmsten Eltern geben können, müssen sie darüber hinaus auch noch glauben, dass das alles aus Liebe geschieht.

Verdrängt, das heißt, sie wissen es als Erwachsene nicht bewusst, aber in ihrem Unterbewusstsein brodelt es. Es ist abgespeichert im Limbischen System, dort, wo unsere Emotionen entstehen. Und auf diesem Wege steuern sie unser Verhalten auch im späteren Leben noch, ohne dass wir es immer wissen. Denn die schnellsten Leitungen von allen Sinnesorganen gehen zu diesem Limbischen System, dort wird jedes Erleben verglichen mit unseren alten Erfahrungen und blitzschnell entschieden, ob die Situation gefährlich ist oder nicht. Aus der intuitiven unbewussten Bewertung entstehen die Emotionen. Im Gehirn werden je nach Bewertung der Situation unterschiedliche Prozesse ausgelöst auf Grund derer der Körper unterschiedlich reagiert. Rötung oder Erblassen von Hautpartien, Beschleunigung der Herzfrequenz oder Erbrechen, um nur einige zu nennen. Diese körperlichen Reaktionen sind die Emotionen. Diese körperlichen Veränderungen können bewusst wahr genommen werden, daraus entstehen dann unsere Gefühle. Wir können aber auch ohne Nachdenken handeln. Das ist dann das, von dem wir sagen, wir handelten aus dem Bauch heraus. Aber der Bauch (oder das andere Körperteil - Herz, Haut etc. ), in denen die Emotion ausgeführt wird, reagiert auf Impulse des Gehirns und entscheidet nicht selbst, wie es häufig in populärwissenschaftlichen Texten zu lesen ist. (vergl. auch "Daniel Goleman: "Emotionale Intelligenz" und Antonio R. Domasio: "Ich fühle, also bin ich")

So fühlt es sich zwar an für uns, aber der Bauch ist nicht der Entstehungsort der Entscheidung, auch der Bauch bekommt die Befehle dazu, ohne dass wir das mitbekommen, über das vegetative Nervensystem und durch Hormone im Blut vom Gehirn. Die Bewertungen, die zu den Emotionen führen, sind so schnell fertig, dass wir sie haben, bevor überhaupt eine Information über die betreffende Situation an das Bewusstsein in der Hirnrinde gelangt ist. Bewusst erleben wir daher dann die Situation sofort verknüpft mit dieser Bewertung des limbischen Systems (Mandelkern und andere Regionen), eben jenen Regionen, wo auch die verdrängten Kindheitserlebnisse in so gekürzter Form gespeichert sind, dass aus ihnen die Situation in Bruchteilen einer Sekunde  bewertet werden kann.  In jeder Auseinandersetzung, in der wir wütend werden oder auch plötzlich verstummen, fallen wir zurück in kindliches Erleben, leben wir quasi im Film von damals, und haben unterschwellig Angst, dass es so schlimm werden könnte wie früher, als wir als Säugling nichts konnten, als zu strampeln und zu schreien und trotzdem niemand kam... 

Die meisten Menschen bezweifeln, dass die frühkindlichen Erlebnisse überhaupt mit solcher Macht bis in die Gegenwart von Erwachsenen unser Fühlen bestimmen.

Ich möchte deshalb begründen, warum ich so fest davon überzeugt bin, dass die Erfahrungen der ersten Wochen und Monate wirklich so prägend sind. Wir werden geboren ohne Erfahrungen (abgesehen von denen im Mutterleib). Ein Vergleich mit einem Computer erscheint mir gar nicht abwegig: Die Hardware ist weitgehend fertig, aber die Festplatte ist lediglich formatiert, also bereit, Daten aufzunehmen. Wie ein Schwamm saugt das Neugeborene alle Informationen aus der Umgebung auf und orientiert sich an ihnen. Jedes Erlebnis wird Teil der zu installierenden Programme. Bei einer Papua-Familie auf Neuguinea anders als z. B. bei arabischen Fürsten oder alkoholsüchtigen Europäern oder, oder... All das, was ihm zuerst begegnet, besonders auch das Schlimme, wird gespeichert und bei jeder Wiederholung verfestigt, so dass daraus zunächst einmal ein Raster entsteht, nach dem spätere Ereignisse eingeordnet werden können: gefährlich - ungefährlich, angenehm - unangenehm... 

Wenn aber die Kinder bei der Geburt vertauscht würden, würde jedes von ihnen die Anpassung an völlig andere Verhältnisse genau so meistern wie in der ursprünglichen Familie. Das ist das, was Alice Miller anspricht mit dem Buchtitel "Das Drama des begabten Kindes": Die Anpassungsfähigkeit der kleinen Kinder an die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Verhaltensnormen der Eltern ist unvorstellbar hoch. Dazu speichert Das Gehirn Erinnerungen, nicht fotografisch in allen Einzelheiten, aber dennoch genau genug, dass wir uns danach intuitiv orientieren können. Wenn neue Erfahrungen dazu kommen, wird die ältere Information nicht gelöscht. Löschen darf nicht geschehen, wir brauchen die alten Informationen, um danach die neue Situation zu bewerten. Auf diese Weise wird die alte Erfahrung zwar modifiziert, im Kern aber gefestigt, weil wir uns nach ihr gerichtet haben. Und so basiert auch das komplexe Weltbild und Netz von Glaubenssätzen und Reaktionsmustern des Erwachsenen im Wesentlichen auf den Erfahrungen des Säuglings im ersten Lebensjahr, auch wenn wir meist keinen bewussten Zugang zu dieser Erinnerung haben. Und da zeigt sich dann das Ausmaß des "Dramas des begabten Kindes": Wenn die Anpassung von damals nur möglich war unter Verdrängung von Gefühlen und vitalen Impulsen, so wird auch diese Prägung mitgenommen bis ins Erwachsenen-Leben und schränkt den Erwachsenen oft erheblich ein.

siehe dazu auch den Film mit Bruce Lipton

Die Heilung

Wenn uns aber unsere selbst einschränkenden Vorstellungen bewusst werden, wenn uns geholfen wird, das Leid zu erahnen, das zu ihnen geführt hat, dann können wir ihre Macht mindern. 

Heute gibt es Hilfe, die darauf verzichtet, das damalige Leid  erneut zu erleben. Viele Wege führen nach Rom. Welcher Weg für uns selbst der richtige ist, muss jeder selbst herausfinden. 

wird fortgesetzt

Tabelle der Karikaturen auf pachizefalos.de

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* Noch heute (2009) wird dieses Buch bei ebay verkauft, als sei es ein empfehlenswertes Buch für junge Mütter, zum Teil sogar mit dem Hinweis "Tolles Buch".

Ich besitze eine Ausgabe von 1941 und eine von 1965 (Auflage 1005 000 bis 1066 000). Die neuere Ausgabe ist schon überarbeitet und keineswegs handelt es sich um ein durch und durch unmenschliches Buch. Aber Stellen, an denen eine gewisse Rigidität einfach als normal angesehen wird, findet man auch dort, und auch in der Ausgabe von 1965 ist die Überschrift eines Kapitels: "Das Kind braucht Ruhe", und dann folgt außer der Hervorhebung das Zitat von oben.

noch ein Text aus diesem Buch Erziehung zur Sauberkeit, Auszug aus der Ausgabe von 1965

letzte Änderung 19. 5. 2014