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Übersichtstabelle Gewaltfreie Kommunikation

Kritik an Marshall B. Rosenberg

Rosenberg hat vermutlich viele schlechte Erfahrungen mit Psychologen gemacht. Jedenfalls schreibt er an verschiedenen Stellen eher negativ und etwas pauschalisierend über sie. Ich weiß auch, dass viele Psychologen und Therapeuten ihr eigenes Leid gar nicht kennen und daher nur sehr begrenzt in der Lage sind, überhaupt zu helfen. Eine Ausbildung an der Universität  garantiert keineswegs eine kompetente Hilfe, das weiß ich auch. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie Defizite haben in der Kommunikation mit anderen Menschen oder ein beschädigtes Selbstwertgefühl, studieren sie vielleicht Psychologie. Die Chancen, dass das Studium ihnen hilft, ihre verkorkste Souialisation aufzuarbeiten, sind gering. Sie können dann am Ende ein wissenschaftliches Examen ablegen. Die Empathie und das Einfühlungsvermögen, das sie benötigen, um anderen Menschen zu helfen könne sie aber nicht an der Universität erwerben.

In seinem Buch "Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Lebens" zitiert er Martin Buber, der nicht daran glaubte, dass eine authentische Begegnung möglich sei, wenn sich Menschen in den Rollen von Psychotherapeut und Patient begegneten. 

Diese Skepsis teilt Rosenberg. Und der Gedanke ist schlüssig: Wenn die Rollen so verteilt sind, dass Therapeut immer Recht hat und Patient lernen muss, sieht es schlecht aus mit dem Wachstum des Klienten. Dass aber auch ein vertrauensvolles Verhältnis auf Augenhöhe zwischen beiden entstehen kann, in dem der Therapeut Anwalt des verletzten Kindes ist,  das der Klient einmal war, zieht Rosenberg nicht in Erwägung. Rosenberg hat wohl nie erlebt, wie ein einfühlsamer Therapeut dem Klienten behilflich sein kann, allmählich zu erinnern und dann zu verstehen, wie die eigenen Ängste und verdrängte Trauer und Wut wohl entstanden sind. Er hat wohl auch nie einen Therapeuten erlebt, der gesagt hat: "Heilen kann ich dich nicht. Das musst du schon selbst. Aber ich kann dir behilflich dabei sein, deine blinden Flecken zu erkennen. Dazu lade ich dich ein zu einem Prozess in dem wir beide viel lernen  können."

Rosenberg hat wohl auch nicht erlebt, wie ein depressiver Mensch aus seinem Gefängnis der eigenen Ängste mit Hilfe eines empathischen Menschen schrittweise herauskommen kann, was ohne fremde Hilfe nur in leichteren Fällen möglich ist. Sonst hätte er es nicht schreiben können: "Depression ist die Belohnung fürs Bravsein." Gegenüber schwerst traumatisierten Menschen mit einer tiefen Depression am Rande zum Selbstmord ist ein solcher Satz eine bodenlose Gemeinheit. Das ist fast so, als würde man einen beinamputierten Menschen auffordern: "Hüpf doch mal." 

Joachim Bauer schreibt dazu: "Seelische Erkrankungen bilden sich keineswegs von selbst zurück. Die empirische Datenlage darüber, dass Psychotherapie wirksam ist, ist geradezu erdrückend (Übersichten siehe z. B. Shadish et al., J. Consult. Clin Psychol 65: 355, 1997; Grawe et al., Psychotherapie im Wandel, 1994; Bergin & Garfield Handbook of Psychotherapy and Behavior Change, 1994. Psychotherapie hilft nicht nur der Seele, sondern auch dem Körper, denn in einem lebenden Organismus sind alle biologischen Funktionen zutiefst 'beseelt'." (http://www.psychotherapie-prof-bauer.de (Klicke dazu links auf der Seite "Seele und Körper") Bei dieser Darstellung wird allerdings die Psychotherapie unkritisch pauschal als hilfreich eingeordnet, was leider auch nicht zutrifft. Es gibt auch solche Psychologen und Psychiater wie Rosenberg sie darstellt. Auch urteilt Bauer recht pauschal über Außenseiter und staatliche Approbation. Nicht jeder Außenseiter ist ein Scharlatan und die staatliche Approbation gewährleistet keineswegs die notwendige Empathie und ein hinreichendes Einfühlungsvermögen.  http://www.psychotherapie-prof-bauer.de (Klicke dazu links auf der Seite "Psychotherapie")

In seinem Buch "Das Herz gesellschaftlicher Veränderung" drückt Rosenberg seine negative Haltung gegenüber Therapeuten noch deutlicher aus: "Will man zum Beispiel Herrschaftsstrukturen wirklich einzementieren, dann muss man den Menschen eine Sprache voll mit moralischen Bewertungen geben. Dazu braucht man Psychologen und Psychiater, die sagen, dass es so etwas gibt wie geisteskranke und gesunde Menschen." 

Es gibt auch andere Psychologen. Solche, die bereit sind, mit dem Klienten zusammen das prägende Leid des kleinen Kindes heraus zu finden, Menschen, die aufmerksam die persönlichen Verdrängungsmechanismen  wahrnehmen können und helfen können, dass der Klient sich derer bewusst wird, Menschen, die den geschützten Rahmen bieten können, in dem es möglich wird, an die verdrängten schmerzhaften Erinnerungen heranzukommen. 

Aufgabe des Hilfesuchenden ist es dann, den für ihn hilfreichen Therapeuten zu finden und nicht zu akzeptieren, dass da wieder ein Mensch versucht, ihm etwas Fremdes über zu  stülpen. (vergl. auch http://www.pachizefalos.de/verzeihen.htm)

Offenbar hatte Rosenberg selbst hinreichend empathische Bezugspersonen in seiner Sozialisation, so dass er trotz der schlimmen Prägung, von der er auch berichtet, genügend Selbständigkeit entwickeln konnte.

In dem Maße, wie Rosenberg und seine Schüler seine Methode als allein selig machend hinstellen, wird es intolerant. Für seine Methode sollte jemand ausreichend Kontakt haben mit seinen eigenen Gefühlen. Fehlt dieser Kontakt zu den eigenen Gefühlen, (Alexithymie), ist vielleicht ein anderer Weg besser.

zuletzt bearbeitet  am 04. 10. 2012