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Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit

Karikaturen von Rainald Irmscher

24. Juni 2012 von 12-13 Uhr - dOCUMENTA 13 - Critical Art Ensemble -  Railway Lecture Hall

Viele Regeln und gut gemeinte Aussagen zur Kindererziehung, die eher informell von Generation zu Generation weitergegeben wurden und werden, sind unmenschlich und schädlich für die Entwicklung von Kindern (so genannte „Schwarze Pädagogik“).

Die verheerende Auswirkung solcher „normaler“ Erziehung auf Kinder und spätere Erwachsene wurde mir bewusst durch langjährige Arbeit in Kursen zur Selbsterkenntnis.  Dabei habe ich wieder erlebt, wie schrecklich einige Situationen in der frühen Kindheit waren. Meine Karikaturen haben mir dabei geholfen, diese Erlebnisse aufzuarbeiten.

Unserer Gesellschaft muss dabei geholfen werden zu erkennen, dass die heute als normal geltende Behandlung von Säuglingen zu unmenschlich und teilweise geradezu ein Verbrechen an diesen ist.
Jean Liedloff 1974

Spartanische Erziehung galt noch im vorigen Jahrhundert als vorbildlich. Viel zu frühe Reinlichkeitsdressur, Füttern nach Zeitplan und lautes Schimpfen galten als „normal“, sogar Prügelstrafe war üblich. Johanna Haarer schrieb in ihrem Buch (1934 bis 1984 1,2 Mio. gedruckt) „Die Deutsche Mutter und ihr erstes Kind“: „Eine deutsche Mutter kennt keinen Fehler außer dem einen,  ihre Kinder zu verzärteln.“  So wurden seit 5000 Jahren Kinder „mit Liebe“ misshandelt.

Geniale Fähigkeit der Kinder, jedes Leid scheinbar zu verringern

Warum sind diese Fakten den meisten Menschen kaum bewusst? Weil kleine Kinder die erstaunliche Fähigkeit besitzen, die Angst und die Wut, die sie durch Schreien lautstark ausdrücken, nach und nach abzuschalten. Sie geben sich dabei selbst die Schuld auch an den schrecklichsten Misshandlungen und blenden ihre bewusste Erinnerung aus - verdrängen sie. Diese Prozesse sind radikal und nachhaltig.

Sogar die Wirkung von Genen wird verändert in Abhängigkeit von Erfahrungen.

Bei Kindern, die aufwachsen ohne die Gewissheit, geliebt und respektiert zu sein und statt dessen  in unsicheren sozialen Verhältnissen, immer auf der Hut, was wohl jetzt schon wieder passiert, wurde festgestellt, dass sie weniger Glückshormone produzieren und eine deutlich niedrigere Angstschwelle haben und schon bei geringen Beunruhigungen mehr Stresshormone produzieren. 

Eine noch zu wenig beachtete Folge der Verdrängung schmerzhafter Erziehung ist die Zunahme der Häufigkeit von Süchten ( Drogen-, Alkohol-, Sex-, Spiel-, Ess-, Arbeits-, Machtsucht und anderen), aber auch der Häufigkeit und Schwere von psychosomatischen Erkrankungen. Herzinfarkte und Magengeschwüre, aber auch Depressionen und Suizide sind bei einigen Südseevölkern fast unbekannt und könnten auch bei uns sehr viel seltener sein, wenn der Umgang mit den Kindern und dann auch zwischen Erwachsenen wieder so freundlich und respektvoll würde, wie es auf Samoa und den Trobriand-Inseln üblich war, aber auch bei den Inuit und den Yequana am oberen Orinoko und anderen Völkern abseits der „Zivilisation“.

Gras wächst auch nicht schneller, 
wenn man daran zieht. 
Afrikanisches Sprichwort 

In hierarchisch organisierten Kulturen wurde  wohl schon immer Wohlverhalten erzwungen durch Strafen und Angst vor Strafe. Strafe hat noch nie zu einer wirklichen Besserung geführt, sondern immer auch Groll aufgebaut. Das vorübergehende „Wohlverhalten“ wurde viel zu teuer erkauft. Der Groll führte meist zu irgendeiner Art von Rache, bedauerlicherweise bei Kindern oft als Selbstbestrafung,  bei introvertierten Kindern zur Neigung zu Depressionen und autoaggressiven Erkrankungen im späteren Leben, und bei leistungsorientierten eher zu Bluthochdruck und Herzinfarkt.

Strafandrohung führt zu entsprechendem Vermeidungsverhalten, solange die Kontrolle gewährleistet ist. Die Katze geht nicht auf den Tisch, solange Herrchen in der Nähe ist. Bei Menschen ist das nicht viel anders. Daher ist Strafe kein geeignetes Erziehungsmittel.

Auch Strafen in Schulen und in der Rechtsprechung sind fragwürdig und führen durchaus nicht zu dem gewünschten Sozialverhalten.

"Geh du voran!" sagte die Seele zum Körper, "auf mich hört er ja nicht."
"Dann muss ich krank werden" antwortete der Körper, "damit er Zeit hat dazu."

Autor unbekannt

In unserer Gesellschaft gibt es sehr viele Süchte und schräge Angewohnheiten. Wohl allen ist gemeinsam eine Suche nach irgend einem Zustand zwischen  Glückseligkeit, Urvertrauen, Geborgenheit und auch einfachem So-Sein-Dürfen. Alle haben damit etwas zu tun, dass das Selbstwertgefühl beschädigt ist. Und so eine latente Angst, irgendwelchen Erwartungen nicht zu genügen, treibt den Leistungssportler und auch den Hedgefonds-Manager zu immer größeren Anstrengungen und Risiken, wie sie den Alkoholiker zur Flasche greifen lässt.
Uns kann bewusst werden, wie sowohl Krankheiten als auch jeder Tick und jede Sucht zusammenhängen mit frühkindlichen Prägungen.

Es gibt weder große Entwicklungen noch wahre Fortschritte auf dieser Erde,  so lange noch ein unglückliches  Kind auf ihr lebt.  Albert Einstein

Wir können vielleicht auch anerkennen, dass unsere Macke oder unsere Krankheit ursprünglich zurückgeht auf eine hochintelligente Lösung  des Kindes von damals. Wir können uns solidarisch mit dem Kind von damals verhalten und erkennen, dass die Situationen, die damals schrecklich waren, nicht herbeigeführt wurden, um uns krank oder unglücklich zu machen. Und wir können die Gewissheit erlangen, dass wir niemals wieder so hilflos und bedürftig werden wie damals. Wenn wir uns um diese Erkenntnisschritte bemühen und vielleicht auch die richtige Hilfe holen, kann es sein, dass die Seele sich verstanden fühlt und Heilung möglich wird. Meine Sinusitis heilte, als ich wusste, warum ich die Nase voll hatte. Und ich habe keine Angst vor einem weiteren Herzinfarkt, seit ich um diese Dinge weiß und jeden Tag tanze.


Es ist nie zu spät
für eine glückliche Kindheit
Marshall B. Rosenberg - Lernprozess