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Die Zeit unmittelbar nach der Geburt ist der Teil des Lebens außerhalb des Mutterleibes, der die nachhaltigsten Eindrücke hinterlässt. Was einem Baby dann begegnet, ist für sein Gefühl das Wesen des Lebens selbst, so wie es sein wird. Jeder spätere Eindruck kann, in höherem oder geringerem Maße, jenen ersten Eindruck lediglich modifizieren, der ihm widerfuhr, als es noch nicht über Vorerfahrung hinsichtlich der Außenwelt verfügte. Seine Erwartungen sind die unflexibelsten, die es je hegen wird. Die Veränderung gegenüber der uneingeschränkten Gastlichkeit des Mutterleibes ist gewaltig, aber wie wir gesehen haben, wurde es vorbereitet auf den großen Sprung vom Mutterleib zu seinem Platz auf den Armen.

Nicht vorbereitet hingegen ist es auf irgendeinen noch größeren Sprung - geschweige denn auf einen Sprung ins Nichts, in Nicht-Leben, in einen Korb mit Stoff ausgeschlagen oder in ein Plastikkästchen, das sich nicht bewegt, keinen Ton von sich gibt, das weder den Geruch noch das Gefühl von Leben aufweist.

aus: Jean Liedloff: "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück", S. 54f

Aber das Mitgefühl, das ein neugeborener Mensch in dem Moment braucht, um mit der ungewohnten Situation fertig zu
werden, konnten in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderen die Erwachsenen den kleinen Menschen meist nicht entgegen bringen
  • Man sagte ganz selbstverständlich, dass die ersten drei Monate eh das "dumme Vierteljahr" wären.

Und wenn in den folgenden Tagen dann das Baby weinte, wenn es im Bettchen oder Körbchen oder Bett liegt, wunderte
sich
(und wundert sich heute auch wohl noch viel zu oft) manche Mutter, was
es denn bloß hat. Frisch gewickelt, gefüttert und
sogar ein Bäuerchen gemacht. "Was hat es denn nun schon wieder???"

Dass das Kleine vielleicht nur noch angeschaut werden möchte, gehalten, wichtig genommen... spüren viele Eltern gar nicht,
weil sie das selbst in dem Alter nicht  bekommen haben und weil sie dafür nirgends ein Vorbild gesehen haben.

Genervt schiebt dann die Mutter oder der Vater das Bettchen ins Schlafzimmer, "damit es seine Ruhe hat"... denn solchen Blödsinn  hat ihr die Oma und auch ihre Mutter gesagt: "Kümmere dich nicht zu viel um das Kleine, sonst erziehst du dir nur ne Heulsuse!"

Was seit jeher so gemacht wurde, wird weitergegeben von Generation zu Generation und jedes Abweichen von dieser
Tradition kostet die jungen Eltern viel Energie und Durchsetzungsvermögen. Die neuen Gedanken sind noch lange nicht selbstverständlich.

Und wenn dann der kleine Mensch immer wieder weint und brüllt, weil man ihn nicht versteht und nicht das ernst nimmt, was er
wirklich sagen möchte, heißt es dann: "Ach der ist auch so ein Schreikind, womit habe ich das verdient?" Dabei ist der Begriff "Schreikind" so bodenlos gemein gegenüber dem Kind. Wenn es sich unwohl fühlt, kann es doch nur weinen und schließlich schreien, wenn niemand es versteht. Dabei sind die möglichen Gründe für das Weinen eines Kindes meist leicht zu ergründen und zu verstehen. Nur fällt dies zu vielen Menschen schwer. Sie können sich so schlecht in die Situation des Kindes einfühlen, weil sie selbst in ihrer Kindheit das viel zu selten erlebt haben.



Interessant dazu ist folgende Seite: http://www.psy-mayer.de/begriffe/bett1/bett1.htm

Wie anders die weit verbreitete Art des Umgangs mit kleinen Kindern war, geht aus folgendem Text von Johanna Haarer (1965) hervor.