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Übersichtstabelle Gewaltfreie Kommunikation

 

Marshall B. Rosenberg: Zitate



Mit dem Hinweis: "Du bist wie X." werde ich meinem Gegenüber nie gerecht. Kein Mensch ist wie der andere. Am schlimmsten sind Vergleiche mit Geschwistern oder gar Elternteilen, denn niemand möchte so sein.

Wenn zu mir jetzt jemand sagt: "Du bist ja wie dein Vater." wird es mir nicht leicht fallen, etwas anderes zu tun, als dies empört zurück zu weisen (zumal ich mich bei den Vergleichen mit Familienmitgliedern viel eher getroffen fühle).

Wenn ich vertraut bin mit der Gewaltfreien Kommunikation, kann ich vielleich aber sagen: "Wenn du mich mit meinem Vater vergleichst (Beobachtung), tut mir das weh (Gefühl). Ich möchte trotz der Ähnlichkeiten als der Mensch gesehen werden, der ich bin (Bedürfnis), und ich bitte dich, mich nicht mit meinem Vater zu vergleichen (Bitte)."

Aber dafür wird möglicherweise gar keine Zeit und Gelegenheit sein, wenn das Gegenüber den Vergleich gebracht hatte, weil er/sie sich missachtet gefühlt hatte oder sonst genervt oder verärgert ist.  Dann ist es die Kunst der Gewaltfreien Kommunikation, dieses Bedürfnis des Gegenübers hinter dem ärgerlichen Vergleich zu erahnen und zu fragen: "Möchtest du, dass ich besser zuhöre?" oder "Möchtest du mehr Zeit zum Überlegen haben?" oder, oder... 

Wenn ich meine eigene Verstimmung annehme und das Bedürfnis des anderen richtig erfasse, kommen wir ins Gespräch und der Vergleich, der mich empört hatte, ist schnell vergessen, wenn ich verstehe, warum der andere das so gesagt hat. Wenn ich aber keine Ahnung habe, warum der andere den Vergleich gebracht hat, komme ich wohl am ehesten weiter, wenn ich ihn frage, was ihn denn jetzt an meinen Vater erinnert hat. Ich könnte also auch sagen: "Der Vergleich schmeckt mir nicht, aber worum ging es dir dabei überhaupt?"

Wenn mich der Vergleich stark getroffen hat, wird der Versuch, trotzdem den anderen zu verstehen, oft nicht gelingen, weil der andere meine Betroffenheit sehr wohl wahrnimmt und auch erwartet, dass ich dazu stehe. Wenn ich das nicht tue, wirkt die anteilnehmende Frage nicht authentisch. Dem Gegenüber fällt es dann schwer, darauf einzugehen.

Es gilt auch hier die goldene Regel der Themenzentrierten Interaktion: Störungen haben Vorrang. Wenn ich meine eigene Verstimmung nicht wahrnehme oder überspielen möchte, wird das Gespräch dort nicht weiter fließen.


Es gibt aber auch immer wieder (besonders in heftigen Diskussionen von Paaren) Situationen, in denen wir nicht auf so eine einfache Frage kommen, weil uns die Aussage des anderen so kalt erwischt hat, dass es uns die Sprache verschlägt. Vielleich fällt uns dann erst Stunden später ein, was wir hätten sagen können. Ein solches Blockieren der Sprache ist meist verbunden mit einer unbewussten Erinnerung (im limbischen System *) an eine Zeit, in der wir noch gar nicht sprechen konnten. Wenn irgend etwas in der heutigen Situation so ähnlich ist wie damals (und das kann eine kleine Geste oder Einzelheit sein, die uns überhaupt nicht bewusst wird), passiert es, dass man sich eben fühlt wie das kleine Kind von damals, das gar keine Worte hatte, oder wir wagen es nicht, etwas zu sagen, weil die unbewusste Erinnerung mit einer großen Angst verbunden ist, und es damals sehr gefährlich gewesen wäre, auch noch Widerworte zu geben.

Solche Situationen, in denen ich verstumme, einfach lieber gehe oder auch plötzlich das Thema wechsele, weil das andere mir zu brenzlig wurde, werde ich immer seltener erleben, in dem Maße, wie ich mir in meinem Rückzug Empathie entgegen bringen kann, wenn ich verstehe, warum ich mich so verhalten habe. Ich kann lernen, meine erste Reaktion, das Verstummen, wahr zu nehmen
oder was eben bei mir in solchen Situationen als erstes auftritt und muss dann nicht mehr gehen und die Kommunikation völlig abbrechen. Um dahin zu kommen, ist professionelle Hilfe durch einen guten Therapeuten, der wirklich der Anwalt des kleinen Kindes von damals sein kann, oft sehr wichtig.

*) Die Nervenwege von den Sinnesorganen zum limbischen System sind wesentlich kürzer als die zur Großhirnrinde. Die unbewusste Bewertung der Situation aufgrund der alten Erinnerung (im Mandelkern) und das Senden entsprechender Emotionen an den Körper ist längst geschehen, bis die Information in der Großhirnrinde ankommt und wir uns ihrer bewusst werden. In allen Situationen, in denen wir blituzschnell reagieren, handeln wir aus dem Gefühl heraus, das durch die Bewertung der Situation im limbischen System entsteht. Unser Verstand kann erst etwas später regulierend eingreifen. Oft bleibt ihm gar keine andere Möglichkeit mehr, als eine möglichst plausible Erklärung zu finden, für das, was wir gemacht haben. Mit den eigentlichen Beweggründen in unserem unbewussten Teil des Gehirns werden aber die verbalen Erklärungen dann meist gar nicht viel zu tun haben. - Das ist der berühmte "Freie Wille" des Menschen!