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Repressive Erziehung

 

Wie Obrigkeit seit Jahrhunderten mit den Untertanen umging (Leibeigenschaft *1, Kadavergehorsam), prägte den Erziehungsstil in den Familien und in den Schulen.  

Ich möchte das zunächst deutlich machen an der Behandlung von Neugeborenen, wie es über Jahrzehnte in Geburtskliniken üblich war.  

  • Die Nabelschnur wurde abgeklemmt und abgeschnitten, bevor der kleine Mensch zu atmen begann.  
  • Dann wurde er an den Füßen gepackt und hochgehoben. Er bekam einen Schlag auf das Gesäß. Der Schreck löste den ersten Atemzug aus.  
  • Kurz danach wurde ihm Silbernitratlösung (Höllenstein) in die Augen geträufelt. Wenn das Kind nicht schon vorher geschrieen hatte, schrie es meist jetzt vor Schmerz. Reaktion: „Schrei nur! Schreien kräftigt die Lunge.“  
  • Die Mutter bekam ihr Kind nur kurz in den Arm, dann wurde es abgeschoben in den Schlafraum. Hier war das häufigste Geräusch das empörte, hungrige, traurige oder verzweifelte Schreien der anderen kleinen Menschen. Gelegentlich gingen Wellen von Schreien aller Kinder durch den Raum. Beachtet hat das selten jemand. „Ihr habt gar nichts zu sagen! Ihr seid ja noch so dumm!“  

Kinder wissen vom ersten Tag an, wann sie müde sind, Hunger oder Durst haben, aber diese Kompetenz wurde ihnen abgesprochen.  

  •  Als Mahlzeit bekam der kleine Mensch am ersten Tag nicht die wichtige Vormilch sondern meist nur Tee, aber nicht dann, wenn er merkte, dass er Durst bekam und sich meldete, sondern dann, wenn „es Zeit war“. So musste der junge Mensch vom ersten Tag an lernen, dass seine Gefühle und seine Kompetenz ignoriert wurden und er funktionieren, gehorchen sollte.  

Diese Ignoranz gegenüber der Persönlichkeit des Kindes wurde fortgesetzt bis es erwachsen wurde.    

Das ganz einfache Wissen, dass ein neugeborener Mensch aus tiefer Intuition heraus erwartet, wie diese kleinen Affen, von der Mutter oder jemand anderem getragen zu werden, ist durch Jahrhunderte kinderfeindlicher Erziehung verloren gegangen. Ein Säugling braucht, um ruhig schlafen zu können, kein eigenes Zimmer. Im Gegenteil, in ein ruhiges Zimmer abgeschoben zu werden ist Folter für den jungen Menschen, der nicht abschätzen kann, wie weit die anderen Menschen entfernt sind. Wenn dann noch seine Schreie ignoriert werden ( oft noch mit Bemerkungen wie: "Das darf man nicht so ernst nehmen",  oder gar: "Der will uns doch nur schikanieren" ) und niemand kommt, lebt der kleine Mensch in Todesangst; denn  Alleinsein, so "weiß" er aus der "Erfahrung" von den Millionen von Jahren seiner Evolution, bedeutet Tod. Um ruhig schlafen zu können, braucht er nichts anderes als die spürbare Nähe eines anderen Menschen. Das können wir auch oft erleben, wenn kleine Kinder in der lautesten Straßenbahn im Arm ihrer Mutter so friedlich schlafen wie dieses Indianer-Kind.

Auch in anderen Kulturen wurde dieses intuitive Wissen gelebt, das bei uns durch repressive Erziehung seit mehreren Tausend Jahren ziemlich in Vergessenheit geraten ist. 

Bild von der Seite:

http://www.continuum-concept.org

 

Natürlich gab es auch bei uns Zuwendung. Ganz ohne die hätte kein Kind überlebt.  

Aber an die Stelle von Wachstumshilfe, die das Kind gebraucht hätte, trat an zu vielen Stellen eine Dressur, die verhinderte, dass das Kind alle seine Anlagen voll ausbilden konnte. Ich möchte nur einige wenige Beispiele herausgreifen.  

  • Junge Mütter wetteiferten, wessen Kind früher „sauber“ war. Schon mit einem Jahr hatten viele Kinder es gelernt, ihre Schließmuskeln zu kontrollieren, obwohl die dafür notwendigen Pyramidenbahnen von Natur aus erst im zweiten Jahr ausreifen. Welch ungeheure Anstrengung dieses  für so kleine Kinder bedeutete, kann man sich kaum vorstellen. Aber diese gewaltige „Leistung“, dem Wunsch der Eltern nach Kontrolle über die Ausscheidung nachzukommen (bzw, den drakonischen Maßnahmen zu entgehen, die Eltern sich ausgedacht haben - wie zum Beispiel das Baby mit dem Gesäß in eiskaltes Wasser zu tauchen )  haben die betreffenden ihr Leben lang bitter bezahlt. Die Fähigkeit junger Menschen, sich an alle möglichen Absonderheiten ihrer Bezugspersonen anzupassen ist unglaublich aber der Preis ist entsetzlich hoch. Die Demütigungen kann das Kind nur ertragen, indem es die Gefühle dazu verdrängt. Das geht einher mit einer Deformierung, die meist erst richtig deutlich wird in Erwachsenalter  in Form von psychosomatischen Krankheiten, Süchten, Depressionen. 
  • In vielen Familien mussten Kinder lange (manchmal stundenlang) am Tisch sitzen bleiben, bis sie eine Speise aufgegessen hatten, die sie nicht mochten oder gegen die sie eine Abneigung hatten. „Was auf den Tisch kommt, wird gegessen!“  
  • Viele Eltern hatten (und haben es auch heute noch oft) gegenüber den Kindern in vielen Situationen einen geradezu unverschämten Schnauzton, während die Kinder einen eher unterwürfigen Tonfall anzunehmen hatten.  
  • Eltern glaubten das Recht zu haben, ihren Ärger, ihre Aggressionen an den Kindern abzureagieren durch lautes Schimpfen, Brüllen und körperliche Angriffe wie „Klapse“ oder im schlimmsten Fall Prügel oder heftiges Schütteln, das bei sehr kleinen Kindern nicht selten zum Tode führt.  

Eine vollständige Aufzählung der mehr oder weniger üblichen Verstöße von Eltern gegenüber den Persönlichkeitsrechten ihrer Kinder würde Bände füllen. Eine ganze Menge findet  man in der Sammlungen von Mamasprüchen:  http://mamas-klassiker.de/

Wenn ich in einem Kaufhaus bin oder an anderen öffentlichen Plätzen, erlebe ich auch heute noch leider gar nicht selten, dass junge Mütter oder Väter sich nicht schämen, verbal oder sogar körperlich gewalttätig gegenüber Kindern zu sein wegen meist nichtiger Anlässe. Die Menschen in der Umgebung ignorieren solches Verhalten in der Regel. 

siehe auch: http://www.cagle.com/news/motherTRUE/images/spanking.gif

Nur bei „außergewöhnlicher Härte“ kann es geschehen, dass jemand Partei für das Kind ergreift, aber das ist selten. Und das ist meist auch gut so, weil diese Eltern ja nur unbewusst weitergeben, was sie einmal erlebt haben. Wenn sie brüllen, drohen oder gar schlagen, sind sie selbst so unsicher und angespannt, dass sie nur dann positiv reagieren könnten, wenn zunächst sie in ihrer eigenen Gefühlslage angenommen würden. Das ist aber für den fremden Erwachsenen gar nicht leicht, wenn er mit dem Kind mitfühlt und über das elterliche Verhalten empört ist. Dann werden seine Worte nur den Stress der Eltern erhöhen und an diesen abgleiten, selbst dann, wenn kaum Kritik darin enthalten ist. 

Die Sensibilität für das kindliche Leid kann nur in dem Maß wachsen, wie jeder Einzelne sich des eigenen Leidens in der frühen Kindheit bewusst wird und das verarbeitet.

 *1 Die Leibeigenschaft wurde in den deutschen Staaten erst zwischen dem Ende des 18. und dem Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Näheres hier

mehr dazu von Alice Miller

Diese Art des Umgangs mit Kindern hat eine lange Tradition. Rechts ein Beispiel aus der älteren Literatur.

Wer mehr dazu lesen möchte findet viele Beispiele in dem Buch "Schwarze Pädagogik" Hersg. von Katharina Rutschky,
Ullstein Taschenbuch 2690

„Diese ersten Jahre haben unter anderem auch den Vorteil, dass man da Gewalt und Zwang brauchen kann. Die Kinder vergessen mit den Jahren alles, was ihnen in der ersten Kindheit begegnet ist. Kann man da den Kindern den Willen benehmen, so erinnern sie sich hernach niemals mehr, dass sie einen Willen gehabt haben“

 (Johann Georg Sulzer : Versuch von der Erziehung und Unterweisung der Kinder, 1748)

 

Auch in der Bibel findet man viele derartige Stellen, besonders im Alten Testament
Den Zusammenhang zwischen christlicher Religion und repressiver Erziehung habe ich hier auch aus der geschichtlichen Entwicklung erklärt.

vergl. auch: Arundhati Roy: