Religiöse
Vorstellungen
Die
Vehemenz, mit der Religion verteidigt wird und Kriege geführt werden
gegen Andersgläubige erschreckt mich immer wieder.
Was veranlasst Menschen, sich und andere in die Luft zu sprengen? Welche Rolle hat dabei die Religion wirklich? Warum glauben Menschen überhaupt an derartig unwahrscheinliche Dinge?
Meines
Erachtens nach haben religiöse Vorstellungen bei Menschen
verschiedene Ursachen.
- In
sogenannten luziden Träumen sind wir in der Lage, bei vollem
Bewusstsein scheinbar übernatürliche Dinge zu
„erleben“. Diese werden dann meist nicht als
Leistung des eigenen Gehirns interpretiert sondern als
„Erscheinung“. Leute, die solches erlebt und
berichtet haben, werden dann von anderen als Beweis für die
Existenz „anderer Realitäten“ einer
„übersinnlichen Ebene“ oder anderer
religiöser oder esoterischen Vorstellungen genommen. ein Beispiel
- Durch
meditative Techniken kann man lernen, bestimmte Teile des Gehirns mehr
oder weniger auszuschalten oder lahm zu legen, besonders das
"Orientierungs-Assoziations-Areal" im Schläfenlappen, das die
Aufgabe hat, dem Menschen jederzeit klar zu machen, wo sein
Körper endet und die Außenwelt anfängt.
Während der linke Teil dieses Bereichs ein Gefühl
vermittelt für die physischen Grenzen des Körpers,
verarbeitet der rechte Teil Informationen über Zeit und Raum.
Wenn dieser Bereich nicht normal arbeitet, durch Krankheit (wie bei
schizophrenen Menschen) oder durch die Ausschaltung von
Außenreizen ( bei meditierenden Menschen) bekommt der
Betreffende
das
Gefühl der Ewigkeit und Grenzenlosigkeit. Was dann vom Gehirn
assoziiert wird, wird als höhere Wahrheit empfunden. (vergl.:
gott-geist-gehirn.pdf
) |
Solche
Vorgänge werden auch bei Nahtod-Erlebnissen eine wichtige
Rolle spielen. Auch hier ist es nicht notwendig, dass Menschen selbst
solches erlebt haben, die Berichte von anderen genügen meist.
(Zu
Nahtod-Erlebnissen geht gerade (April 2007) eine Meldung von
Kevin Nelson von der
University of Kentucky durch die Presse, die noch eine andere Deutung
nahe legt.)
- In
einer Gesellschaft,
in der nur der etwas gilt, der viel hat, ist es um das
tatsächliche Selbstwertgefühl der meisten Menschen
schlecht
bestellt. Da schinden sich unzählige Sportler bis zur
krankmachenden Überbeanspruchung und schlucken einen bisweilen
tödlichen Mix von Aufputschmitteln, Hormonen etc., um auf das
Treppchen zu kommen, in die Zeitung, das Fernsehen
-
weil sie Angst haben,
eigentlich nichts wert zu sein. |
Die gleiche Angst treibt andere in das Karrieregerangel von Politik,
Wirtschaft oder Medienrummel. Und wer es nicht da hin schafft,
träumt vielleicht davon oder pumpt sich voll mit
Beruhigungsmitteln oder die hübsche junge Frau macht dann
einen Striptease vor hundert Fotografen an der Promenade von Cannes in
der Hoffnung, entdeckt zu werden - wenn das nicht klappt, zerfleischt
sich die Gute vielleicht mit dem Gedanken, dass sie hässlich
sei, zu dick oder der Busen zu klein oder die Nase zu lang... Bei
allen ist eine große Diskrepanz zwischen der Sehnsucht,
einfach
als Mensch akzeptiert zu sein und der Angst, nicht gut genug zu sein. |
Menschen versuchen, diese Diskrepanz zu überbrücken mit
den
unterschiedlichsten Suchtmitteln, zu denen auch diese Anstrengungen
gehören, unbedingt der Beste sein zu wollen.
Da ist es
offensichtlich auch eine Möglichkeit, diesen innerlichen Druck
auszuhalten durch die Flucht in die Religiosität oder
Spiritualität. Durch Gebet oder Meditation kann man die innere
Unruhe für eine Weile abstellen. |
Die guten Einfälle,
die
einem dann kommen, sind wohl immer eine Leistung des eigenen Gehirns
und keineswegs ein göttliche Eingebung. Mit so einer
Vorstellung
macht sich der Betreffende dann gleich wieder so klein, wie er
befürchtet zu sein...
- Weil
vieles in der Welt unerklärlich bleibt, ist es gleichsam
beruhigend für das Gehirn, für diese Dinge
übersinnliche Erklärungen zu akzeptieren, weil es
dann scheinbar eine Erklärung für das
Unerklärliche gibt. Das gilt meiner Meinung nach weitgehend
auch für die Astrologie.
- Natürlich
haben religiöse Vorstellungen auch viel zu tun mit den
Gruppenzwängen der Gesellschaft, in der der Betreffende
lebt. Aber die Sprüche, die dazu in unserer Gesellschaft
verbreitet werden, akzeptiere ich nicht. - Die Tatsache, dass alle
alten
Kulturen wohl religiöse Vorstellungen hatten, beweist nicht,
dass
ein Mensch eine solche braucht und auch nicht die Tatsache, dass in
allen Völkern religiöse Vorstellungen verbreitet
sind.
Vielmehr ist für mich die Tatsache, dass die Zahl der
Atheisten
steigend ist, eher ein Hinweis darauf, dass ich mit meinen Vorstellungen gar
nicht so allein bin.
- Durch
die Tradition der Unterdrückung haben religiöse
Vorstellungen schon immer einen großen Stellenwert gehabt.
Wenn Könige behaupten, "göttlich" oder von "Gott"
eingesetzt zu sein, leiteten sie von jeher daraus ein Recht zur
Willkür ab. Aber diese Tendenz zur Willkür
und sich dabei auf göttliche Bestimmung zu berufen,
war immer nur dadurch zu erklären, dass auch bei
Königen das Wissen verdrängt war, wie schrecklich es
in der eigenen Kindheit war, der Willkür der Eltern und
Erzieher ausgeliefert zu sein.(vgl.
dazu A. Miller über Hitler und andere Diktatoren)
Und natürlich haben auch nicht königliche Eltern, die
Willkür, die sie doppelt erlebten, nämlich zuerst in
ihrer Kindheit im eigenen Elternhaus und dann als gesellschaftliche
Realität als Untertanen, wohl meist doppelt an ihre Kinder
weitergegeben. Diese Kinder enthob dann (seit Jahrtausenden bis heute)
die Vorstellung, das alles sei „Gottes“ Wille und
Werk, von der schwierigen Aufgabe, ihre eigene Gewordenheit zu
erforschen, herauszufinden, welche ganz konkreten Ursachen ihre eigenen
Ängste und Krankheiten erzeugt oder geprägt haben.
Und damit
sich die unbewusste Wut nicht doch irgendwann gegen die eigentlichen
Verursacher richtete, wurde das sogenannte "Vierte Gebot" gepredigt und
den Kindern noch zusätzlich aufgebürdet. mehr dazu
So gab es einen sich selbst verstärkenden Prozess von Angst
und
Unterdrückung. Den Kindern wurde Angst gemacht mit den
Geschichten
von dem zu fürchtenden "Gott". Die drakonische Erziehung wurde
ausgegeben als notwendig zum Guten der Kinder und als Befolgen des
Willen "Gottes". Die Kinder, die anfangs ja auch gar keine Chance zur
Opposition hatten, lernten sich dem Willen der Eltern, des
Königs,
des "Gottes" zu unterwerfen und gaben dies weiter an ihre Kinder, denen
die gleichen Geschichten erzählt wurden, und die genau so
gedemütigt, geschlagen, dressiert wurden... und die dann ihr
Leben
lang eine Riesenangst vor der Strafe "Gottes" hatten und eine
große Bereitschaft die Wut hinter dieser Angst auszuagieren
im
Krieg gegen irgendwelche Sündenböcke, als die sich
Andersgläubige am besten eignen - Leute, die sich unterstehen,
nicht an diesen "Gott" zu glauben. (Die Entstehung der
monotheistischen
Religionen habe ich an anderer Stelle noch etwas
ausführlicher beschrieben.)
- Vermutlich
hat das weit verbreitete Bedürfnis, an eine höhere
Macht oder
übersinnliche Wesen zu glauben, auch oft folgende Wurzeln:
Es fehlt das Gefühl, richtig zu sein,
so
wie man ist. |
Das
Selbstwertgefühl ist so weit angeknackst, das
Rückgrat
ist so beschädigt, dass man eine Stütze braucht, um
einigermaßen gerade zu stehen, wenigstens in der
Öffentlichkeit - zu Hause "helfen" ja womöglich der Alkohol oder andere
Süchte auch da noch weiter, wo die Angst, nichts wert zu sein,
noch größer ist.
-
Vielleicht
hat der Glaube an eine höhere Macht und ein ewiges Leben der
Seele
auch etwas zu tun mit der Hoffnung, dass es doch irgendwo so etwas wie
eine heile Welt gibt, dass die Erwartung des kleinen Kindes
erfüllt wird, dass alles, was es braucht, für es da
ist. Oder
anders ausgedrückt, dass es die guten Eltern, die es gebraucht
hätte, die es verstehen, wenn es seine Gefühle
äußert und es annehmen, wie es ist, doch
irgendwo gibt.
-
Anatole
France hat einmal geschrieben: "Zufall ist vielleicht das Pseudonym
Gottes, wenn er selbst nicht unterschreiben will." Ich glaube, es ist
anders herum richtig: Wenn Zufälle sehr unerwartet sind,
glauben
Menschen an göttliche Fügung, besonders, wenn sie
religiös erzogen sind.
Bei
all der hier angeführten Skepsis gegenüber jedweder
Religion
möchte ich dennoch einräumen, dass ich
weiß, dass es in
allen Religionen auch sehr einfühlsame Menschen gibt, die
möglicherweise vieles ausblenden, was in in ihren sogenannten "heiligen Büchern" so alles steht, und deshalb dennoch zu einer
warmen Menschlichkeit finden. (vergl. M. B. Rosenberg: Das
Herz gesellschaftlicher Veränderung, S. 27 f.)
Nur, wenn man
auch nur ansatzweise nachfühlen kann, was Babys bei ihrer
Sozialisierung in unserer Kultur erleben müssen,
und dabei sieht, wie vieles dann als selbstverständlich und
"gottgegeben" betrachtet wird, kann man vielleicht verstehen, warum
dann auch wegen der Religion
Kriege geführt werden und warum Menschen sich in solche Kriege
schicken lassen und so fanatisch ihre Religion verteidigen, obwohl es
doch offensichtlich ist, dass Menschen anderer Religionen oder ohne
Religion genauso gut oder schlecht leben können, wie die
Mitglieder der eigenen Religionsgemeinschaft. Um die Fehlentwicklungen
bei der Kleinkinderziehung auch für
Leute deutlich zu machen, die sich bisher noch nicht so intensiv mit
diesem Thema beschäftigt haben, habe ich hier angefangen,
Fakten
zusammen zu tragen. Die Aufzählung könnte noch lange
fortgesetzt werden...
-
Allein
in Großbritannien sterben jährlich 200 Babys an
einem
Schütteltrauma.(http://kind.qualimedic.de/Babyschuetteln.html)
Ein
solches Schütteltrauma entsteht, wenn ein kleines Kind mit
seinem
relativ großem und schweren Kopf und noch nicht so
kräftigen
Halsmuskeln ruckartig hin und her bewegt wird und ist medizinisch
eindeutig zu unterscheiden von Verletzungen, die durch Fallen (z.B. vom
Tisch) oder plötzliches Bremsen beim Autofahren entstehen,
entsteht also meist dann, wenn ein Erwachsener so ärgerlich
wird,
dass er das kleine Kind schüttelt.
-
Ein Baby, das allein in
ein einsames Zimmer gebracht wird, weint nicht weil es etwas
unglücklich ist, es schreit weil es Todesangst ausstehen muss.
(Der Verlust der Mutter war in den Millionen von Jahren der
Menschwerdung tödlich. Ein "Einsperren" in ein dunkles Zimmer
war da nicht vorgesehen.)
- Ein
Baby längere
Zeit schreien zu lassen, ist für das Kleine so schlimm, wie es
sich anhört und nicht so harmlos, wie es bei uns in vielen
Familien gehandhabt wird.
-
Das
Füttern,
Wickeln etc. nach der Zeit kann von einem Baby nur als Ignorieren
seiner Bedürfnisse verstanden werden. Es wäre
richtig, das
als Folter zu bezeichnen. Der junge Mensch lernt dadurch die
eigenen Bedürfnisse und die anderer Menschen zu ignorieren.
-
Das
gleiche gilt für das ständige Einpacken in eine fast
vollständige Stoffhülle und den dadurch entstehenden
Mangel
an Hautkontakt. Kein Baby könnte sich dagegen wehren. Es ist
aber
irritiert. Da ist etwas nach seinem genetischen Programm nicht
"richtig". Die einzige Möglichkeit , diesen Mangel zu
ertragen,
ist, dass der kleine Mensch (und so war es wohl auch für dich
und
für mich ganz sicher) sich damit abfindet, nicht das zu
bekommen,
was es braucht. Und das geht am besten dadurch, dass es die
Körper-Wahrnehmung unterdrückt, die ihm signalisiert,
dass
ihm etwas fehlt - dass es sich an den Mangel gewöhnt... so ist
es
auch noch mit einigen anderen Dingen!
All diese Dinge sind nicht
direkt mit der Religion verbunden. Aber ein Kind, dass solche
Willkür erlebt hat und dann noch gesagt bekommen hat, dass alles
zu seinem Besten geschehen sei, ist dann auch nur schwer in der Lage,
die religiösen Bräuche und Regeln, in die es
hineinwächst, in Frage zu stellen. Und in unserer immer noch
mehrheitlich religiös geprägten Gesellschaft passieren
trotzdem - oder auch gerade deshalb - noch viel schlimmere Dinge.
-
Bei Mordopfern unter
zwölf Jahren sind die Täter in 57 Prozent der
Fälle die Eltern oder die Stiefeltern. Die Eltern geben in
fast der Hälfte der Fälle an, sie hätten
"bloß versucht, das Kind zu disziplinieren". das "Vergehen"
das die tödlichen Schläge auslöste, bestand
beispielsweise darin, dass das Kind die Sicht auf den Fernseher
versperrte, weinte oder die Windeln
besudelte. (Daniel Goleman:
"Emotionale Intelligenz", S. 10)
-
Im
Jahr 2004 "geschahen" in Deutschland über 400 Kindermorde.
(Richtiger: Wurden in der Statistik als solche festgehalten.)
-
Laut polizeilicher
Kriminalstatistik werden jährlich in Deutschland 20 000
Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kindern angezeigt.
(http://www.hinsehen-handeln-helfen.de/) Aber zur Anzeige
kommt nur ein geringer Teil der Fälle.
-
Die
kleinen alltäglichen Demütigungen von Kindern sind
nicht
justiziabel aber bei ständiger Wiederholung auch
zerstörerisch für kindliche Seelen.
-
75% aller Fälle
sexuellen Missbrauchs passieren innerhalb des eigenen
Familienverbandes. (http://www.melinaev.de)
-
In Deutschland wird alle
6 Minuten ein Kind missbraucht ( http://www.missbrauch-opfer.info/)
-
Die
Prügelstrafe ist innerhalb der Familie in Deutschland immer
noch erlaubt. In weiten Teilen der Bevölkerung wird sie immer
noch als Erziehungsmittel empfohlen. Strafbar ist sie nur bei
körperlicher Verletzung oder Tötung. Die
Seelische Verletzung ist kaum justiziabel.
Kurt
Tucholsky schrieb dazu 1931:
Der
Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen:
eine
wenns ihm gut geht und eine, wenns ihm schlecht geht.
Die
letztere heißt Religion.
Comic zu Religion
zuletzt
bearbeitet 30. 7. 2012